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Erinnerungen an Reitertage



Es ist wieder Winter geworden im Naturpark. Draußen ist es klirrend kalt und ab und zu fallen schon ein paar Flocken Schnee. Vielleicht wird es weiße Weihnachten geben. Sicher kann jeder erraten, wo sich die Freunde Frieda, Henriette, Nils, Ferdinand, Igor und Lasse zu dieser Zeit aufhalten: Natürlich vor Friedas Kamin!
Dort ist es warm und gemütlich. Die Freunde finden immer etwas, das sie gemeinsam machen können. Kekse backen, Weihnachtsschmuck basteln, Brettspiele spielen, Geschichten erzählen, Milchreis mit Zucker und Zimt mampfen, Höhlen bauen, vom Sommer träumen oder vieles mehr.
An einem besonders dunklen Winterabend sitzen die sechs Freunde wieder alle zusammen am knisternden Feuer. Lasse Laubfrosch und Ferdinand Fischadler haben es sich auf Friedas neuem rot-weiß-gestreiften Sofa bequem gemacht und lesen zusammen ein Comic-Heft. Nils Nachtpfauenauge, Frieda Fuchs und Henriette Hase liegen ausgestreckt auf dem Teppich um ein Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel herum. Igor Igel kommt gerade mit einer Schüssel Tomatensuppe und einer dicken Scheibe Graubrot aus der Küche und setzt sich auf seinen Lieblingssessel am Kamin. Er hat sich die Reste vom Mittagessen geholt und löffelt nun genüsslich.
„Erinnert ihr euch noch an Joes Bohnensuppe?“, fragt Igor.
„Äh…“, kommt es von Frieda als Antwort.
„Ehrlich gesagt, nein“, sagt Henriette.
„Nö“, gibt Nils zurück und wirft den Würfel quer übers Spielbrett, wobei zwei Spielfiguren umfallen.
„Du warst damals ja auch noch gar nicht dabei!“, sagt Ferdinand. „Das ist schon länger her, dass wir in Amerika waren.“
„In Amerika?“, staunt Nils und stellt die beiden Spielfiguren wieder auf ihre Plätze. Henriette beobachtet ihn dabei scharf, damit er nicht schummelt.
„An Joe erinnere ich mich natürlich, aber an seine Bohnensuppe nicht“, meldet sich Lasse zu Wort.
„Ihr wart schonmal in Amerika?“, fragt Nils erneut. „Alle zusammen?“
„Yeehaw!“, rufen alle fünf, als hätten sie das vorher abgesprochen. Auch Nils muss lachen.
„Bohnensuppe und „Yeehaw“? Das klingt, als wäret ihr bei den Cowboys gewesen“, vermutet Nils.
„Ganz genau!“, bestätigt Lasse. „Mit Lassos und Pferden und allem, was dazugehört.“
„Das war eine richtig coole Zeit!“, findet Ferdinand. „Wir haben alle reiten gelernt und gleich am zweiten Tag mussten wir mithelfen, eine Herde Wildpferde einzufangen.“
„Na, ich weiß nicht, ob wir dabei eine große Hilfe waren“, murmelt Lasse. „Ich kann mich zum Beispiel an einen gewissen Igel erinnern, der die meiste Zeit hinter seinem eigenen Reittier her gerannt ist.“
„Mumpitz!“, ruft Igor dazwischen und isst weiter.
„Dafür konnte Igor beim Hufe auskratzen jedes noch so störrische Biest überzeugen, den Huf zu heben“, wendet Henriette ein.
„Ja, das stimmt. Dir hat Odin nie gehorcht, wenn mich nicht alles täuscht“, sagt Frieda zu Lasse.
„Odin hat niemandem gehorcht, außer Joe und Igor“, wehrt Lasse ab. „Ein wahres Mistvieh von Pferd!“
„Aber schööön!“, schwärmt Henriette. „Ich mag Schecken am liebsten.“
„Ich auch“, stimmt Frieda ihr zu.
„Ich glaube, jeder mag gescheckte Pferde am liebsten“, vermutet Igor.
„Als ob es bei Pferden aufs Aussehen ankommt!“, stöhnt Ferdinand. „Odin war jedenfalls nicht das schnellste Pferd in Joes Stall. Das war eindeutig diese kleine wilde Stute. Wie hieß die noch gleich?“
„Die kleine schwarze?“, fragt Igor und Ferdinand nickt.


„Wendy“, fällt es Lasse sofort ein. „Das kann man sich doch gut merken: Wendy ist schnell und wendig!“
„Ich hatte jedenfalls manchmal ganz schön Angst um Joe, als er Wendy zähmen wollte“, zittert Henriette, als sie sich an Wendys Kapriolen erinnert.
„Stimmt schon. Die ist ganz schön abgegangen!“, bemerkt Ferdinand.
„Leider mussten wir zurück nach Hause, bevor Joe mit Wendy fertig geworden ist“, bedauert Igor.
„Wie lange wart ihr denn überhaupt dort? Und wer ist dieser Joe?“, will Nils wissen.
„Ein Cowboy mit einem Bauernhof in Kansas“, antwortet Frieda.
„Das heißt Ranch!“, korrigiert Ferdinand sie.
„Das ist doch dasselbe wie ein Bauernhof“, entgegnet Frieda und erklärt Nils weiter: „Jedenfalls gibt es auf Joes Ranch ganz viele Kühe und Pferde.“
„Und damals lebte noch sein total netter, alter Hofhund Henry. Über ihn haben wir Joe kennengelernt. Sonst ist man Menschen gegenüber ja skeptisch“, berichtet Henriette.
„Ja, der gute alte Henry!“, seufzt Lasse.
„Wir waren jedenfalls drei Wochen auf der Ranch und haben Joe mit den Pferden geholfen. Henry war zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr so fit, als dass er seine Aufgaben allein hätte bewältigen können“, kommt Frieda auf Nils‘ eigentliche Frage zurück.
„Am tollsten fand ich, dass wir auf dem Heuboden schlafen durften“, erzählt Henriette.
„Ja, weil du die ganze Nacht etwas zu knabbern hattest“, neckt Ferdinand. „Nils, du kannst es dir nicht vorstellen! Die ganze Nacht hat man Kaugeräusche und raschelndes Heu gehört.“
„Morgens lag Henriette immer fast auf dem nackten Holz, weil um sie herum alles Heu aufgegessen war“, scherzt auch Frieda.
„Gar nicht wahr!“, empört sich Henriette. „Ich hab doch nur einmal kurz probiert!“
„Also, ich hab jedenfalls keine störenden Geräusche gehört. Wunderbar schläft man im Heu!“, träumt Igor.
„Spielen kann man im Heu aber noch viel besser“, wirft Ferdinand ein. „In einem richtig großen Berg Heu kann man die besten Tunnel und Höhlen bauen.“
„Oder ganz oben thronen und herunter in die Runde schauen!“, fügt Lasse hinzu. „Im Heu haben wir Stunden zugebracht. Herrlich war das!“
„Ich fand am tollsten zu sehen, wie Joe aus einem Wildpferd in kurzer Zeit einen Freund macht, mit dem er zusammenarbeiten kann, als könnten die Pferde seine Gedanken lesen“, sagt Frieda.
„Die Pferde müssen schon Joes Gedanken und die Gedanken der Kühe in der Kuhherde lesen. Anders kann ich mir kaum erklären, wie die Pferde so schnell verstehen, welche Kuh Joe einfangen will und was dazu nötig ist“, ergänzt Igor.
„Dabei benutzt man kaum die Hände, um Joes Pferde zu dirigieren“, fügt Henriette hinzu. „Das meiste macht man mit den Beinen und durch Zurufe, weil man die Hände zum Lasso werfen braucht.“
„Also, ich finde auch erstaunlich, dass die Pferde in dem Gewusel einer Kuhherde so ruhig bleiben“, bemerkt Lasse. „Pferde sind ja eigentlich Fluchttiere und trotzdem bleiben sie ganz gelassen, wenn um sie herum eine Kuhherde panisch in alle Richtungen flieht.“
„Habt ihr mitgekriegt, wie Joe diese Eigenschaften seiner Pferde genannt hat?“, fragt Ferdinand. „Er sagte, diese Pferde hätten einen „cow sense“, also so etwas wie einen siebten Sinn für Kühe.“
„Haben Rückepferde dann so etwas wie einen „tree sense“?“, scherzt Nils. „Ihr wisst schon: diese Pferde, die Baumstämme aus dem Wald ziehen.“
„Das müsste man mal einen Förster fragen“, schlägt Frieda vor.
„Rückepferde?“, wundert sich Henriette. „Davon hab ich ja noch nie etwas gehört! Was machen die?“
„Das sind meist ziemlich stabile Kaltblutpferde, die vor einzelne Baumstämme gespannt werden und sie dorthin ziehen müssen, wo man sie abholen kann. Meist setzt man Rückepferde nämlich dort ein, wo es zu nass ist oder wo es im Wald zu steile Hänge gibt, so dass die normalen Forstgeräte dort nicht hinfahren können“, berichtet Ferdinand.

Ina Wosnitza
Naturschutz & Naturparke, Heft 230
Die Mitgliederzeitschrift des
Vereins Naturschutzpark e.V. (VNP)
>www.verein-naturschutzpark.de



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